Vor 10 Jahren gab es noch keine Bezeichnung für Corporate Governance auf Arabisch in der sogenannten MENA-Region (Middle East and North Africa). Doch mit dem Übergang zur Marktwirtschaft ändern sich nicht nur die Sprache, sondern auch die Erwartungen der Unternehmen. Transparenz und Rechenschaftspflicht für Geschäftsführungen sind nun gefragt.
Das, was für europäische Länder tägliches Brot ist, stellt einen noch lebendigen Prozess im Nahen Osten dar. Inzwischen haben schon 14 von 17 MENA Staaten einen gesetzlichen Rahmen für die Leitung und Aufsicht der Unternehmen eingeführt. Doch es sind jene Länder, die von politischen und gesellschaftlichen Krisen betroffen sind und sich im Umbruch befinden, die Transparenz und Rechenschaftspflicht der Unternehmensführungen am dringendsten benötigen. Denn Sie brauchen Arbeit und Investitionen von Außen. Und genau in diesen Ländern schwankt der Prozess. Während des Arabischen Frühlings setzte man sich zwar sehr viel mit Politik und öffentlicher Debatte, aber nicht ausreichend mit den wirtschaftlichen Aspekten, wie Governance auseinander.
Um mehr Bewusstsein für die Problematik der Grundsätze der Unternehmensführung und -überwachung im Nahen Osten zu schaffen, wurde das Hawkamah Corporate Governance Institute in Dubai gegründet. Hawkamah ist eine sprachliche Neuschöpfung für Governance auf Arabisch. Das ist nun mal der erste Schritt, man erwartet jedoch keine blitzartigen Ergebnisse. Solche Prozesse brauchen einfach Zeit, wie ähnliche Beispiele aus Osteuropa und der Lateinamerika zeigten.
Governance ist ein kultureller Prozess
Entwicklung derartiger Ordnungsrahmen ist nicht nur ein gesetzlicher, sondern auch ein kultureller Prozess. Ludo Van der Heyden, Professor für Corporate Governance an der INSEAD Business School, bestätigt auch aus wissenschaftlicher Sicht, dass die Integrierung der Grundsätze der Governance in die Geschäftskultur und -praxis ungefähr zehn Jahre lang dauert, wohingegen lediglich fünf Jahre benötigt werden, damit eine Gesellschaft Änderungen auf politischer Ebene annimmt und umsetzt.
Governance eines Familienunternehmens
Die Integrierung einer neuen Geschäftskultur ist bei Familienunternehmen besonders schwierig. Solche Unternehmen stellen ungefähr 45 Prozent aller Unternehmen im Nahen Osten dar. Strukturen von Unternehmen, bei denen bereits die 3. oder 4. Generation am Steuer sitzt, sind selten durchlässig und transparent. Laut Van der Heyden sei es generell die größte Herausforderung, allen Familienunternehmen – ob in Europa, Asien oder im Nahen Osten – beizubringen, dass eine unabhängige, externe Perspektive in besserer Geschäftsführung und fokussierten Entscheidungen resultiert.
Die Einführung bestimmter Politiken hinsichtlich der Dividenden, Einstellung von Familienmitgliedern, Investitionen, Konfliktmanagement, Überwachung durch Behörden und Zusammensetzung der Geschäftsleitung bedeutet für ein Unternehmen zudem eine große Chance für Nachhaltigkeit.
Zusätzlich fördert das Hawkamah Institut den Übergang vom eigentümerorientierten Shareholder-Value-Ansatz zu börsenorientierten Unternehmen. Mit der Börsenorientierung legt man größeren Wert auf kollektive Entscheidungen, die im Sinne eines langfristigen Wachstums und der Nachhaltigkeit eines Unternehmens besser sind, als individuelle Interessen der Eigentümer.
Situation in Deutschland?
Das Thema der Corporate Governance war bereits in den 90er Jahren ein Dauerbrenner. Daher hat sich mit dem Thema auch die Deutsche Bundesregierung befasst und 1998 das erste Corporate Governance-Gesetz erlassen, das Kontrolle- und Transparenzgesetz. Doch erst die gewaltige Philipp-Holzmann-Pleite im Jahr 2000 hat die Regierung dazu bewegt, eine spezielle Regierungskommission zu Corporate Governance einzusetzen. Unter anderem schlug man die Entwicklung eines Code of best practice für deutsche Unternehmen vor.
2001 entstand die Regierungskommission deutscher Corporate Governance Kodex als Selbstregulierungsmaßnahme der Wirtschaft, welche den Deutschen Corporate Governance Kodex erarbeitete. Der Kodex wird jährlich im Rahmen einer Plenumssitzung überprüft und gegebenenfalls auch geändert.
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